Die Renovierung der Späth-Orgel in St. Helena zu Trier-Euren

Geschichte der Orgelbaufamilie Späth

Die Geschichte des Orgelbaus unserer Familie beginnt in dem Jahr 1842 in Ennetach bei Mengen in Oberschwaben. Alois Späth (1825-1876) übernimmt in diesem Jahr die Werkstatt von dem Orgelbauer Vitus Klingler, bei dem er bereits 1844 in die Lehre gegangen war. Alois Späth baute 6 Orgelwerke zwischen 8 und 18 Registern.

Dessen Söhne Franz Xaver (1859–1940) und Albert (1866–1948) führten nach seinem Tod die Werkstatt in Ennetach weiter und nannten sie in Folge „Gebr. Späth Orgelbau“. 1912 wurde Franz Xaver Späth zum Hoforgelbaumeister und 1927 zum päpstlichen Hoflieferanten ernannt.

Franz Xavers Sohn Franz (1901–1924) sollte den Betrieb fortführen. Sein unerwarteter Tod in Spanien verhinderte dies jedoch. Sein Bruder Karl Späth (1899–1971), ein Arzt, übernahm deshalb das väterliche Geschäft. Der jüngste Bruder August war ab 1934 Teilhaber.

1964 trennte sich August (1908-1979) von Karl und erhielt die Freiburger Filiale. Mit seinem Sohn Hartwig (* 1942) gründete er die Firma „Freiburger Orgelbau“ und führte die Orgelbautradition seiner Familie weiter.

Mit dem Tod Karl Späths 1971 gründeten acht Mitarbeiter der Firma Orgelbau Späth GmbH. Inzwischen ist die Firma mit Sitz in Ennetach aber erloschen.

Die Orgelbautradition besteht heute unter dem Namen „Freiburger Orgelbau Hartwig und Tilmann Späth“ weiter. Tilmann Späth (* 1984) führt das Unternehmen mittlerweile in 5. Generation in direkter Familiennachfolge.

Renovierung von Orgeln

Die Renovierung von Orgeln zwischen den 50er und 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts stellt eine ganz besondere Herausforderung an den Orgelbauer dar. Die große Frage lautet: Wie sollen wir mit diesen Instrumenten umgehen? Eine Lösung, die sich für unser Haus nach vielen vergleichbaren Arbeiten in den letzten 15 Jahren herauskristallisiert hat, heißt:

EINE ORGEL DEM WESEN NACH WEITER ENTWICKELN.

Die Orgel in Trier-Euren, St. Helena wurde im Jahre 1966, als Opus 819 von Dr. Karl Späth gebaut. Sie ist ein Zeugnis für den Orgelbau der 1960er Jahre und wird von uns als Klangdenkmal eingestuft.

Im technischen Bereich haben hier zeitbedingt jedoch einige Konstruktionen Anwendung gefunden, deren Lebensdauer begrenzt ist. Als Beispiel sei hier die Verbindung zwischen Taste und Ventil (Traktur) genannt, die zum Teil mit dünnen Stahllitzen realisiert wurde, deren Dauerhaftigkeit nun an ihre Grenzen stieß. Durch eine hohe Elastizität der Stahllitzen war das Spielgefühl gummiartig.

Es war leider nicht möglich, das verwendete Traktursystem zu restaurieren. Die verschlissenen Achsen und Lagerungen konnten nur in Gänze ausgetauscht werden.
Daher sind wir zu der Entscheidung gelangt, die mechanischen Litzen-Trakturen gegen einheitliche Holztrakturen auszutauschen, deren Dauerhaftigkeit und Langlebigkeit sich in vielen Instrumenten seit Jahrhunderten bewährt hat. Das Spielgefühl wurde dadurch wesentlich verbessert.

Eine komplette Neuverkabelung der Elektrik in der Orgel war notwendig, da die Elektroinstallationen nicht mehr den gesetzlichen Sicherheitsanforderungen entsprach.

Das bisherige Windsystem war sehr instabil und wurde verbessert.

Wir haben das Instrument einschließlich Windladen, Pfeifenwerk, Windversorgung, Prospektgestaltung und Anordnung der Teilwerke als wichtiges Zeugnis und Klangdenkmal der 1960er Jahre betrachtet und in seinem Erbauungszustand erhalten und renoviert.

Tilmann Späth, Orgelbaumeister

Die Eurener Orgel und ihre Bedeutung in der Trierer Orgellandschaft

Die 1874 gebaute neugotische Pfarrkirche St. Helena in Trier-Euren bekam 1876 eine mechanische Schleifladenorgel der Orgelbaufirma Breidenfeld aus Trier. Breidenfeld hatte 1837 die Trierer Domorgel gebaut und sich damit einen Namen gemacht; seine Werkstatt war daher kurz darauf von Münster nach Trier übergesiedelt. Er baute zahlreiche kleine und große Orgeln im Bistum Trier, von denen eine ganze Reihe erhalten ist. Die größte noch bestehende steht in Dieblich an der Untermosel (1854, 29 Register).

Die Breidenfeld-Orgel in St. Helena stand mit ihren 24 Registern wohl unverändert bis 1929. In diesem Jahr gestaltete die Bopparder Orgelbaufirma Chr. Gerhardt & Söhne die Orgel klanglich nach dem neueren Geschmack um und ersetzte die mechanischen Schleifladen durch pneumatische Kegelladen. Das Gehäuse und ein Großteil der Pfeifen wurden übernommen. Die Orgel hatte nun 21 klingende Register und ein Transmissionsregister (Echobass aus Bordun 16’), zusätzlich zu den Normalkoppeln eine Suboctavkoppel II- I und eine ausgebaute Superoctavkoppel. Möglich waren dank der pneumatischen Luftdrucksteuerung nun Spielhilfen wie Freie Kombination, feste Kombinationen (P. MF. F. Tutti),  Zungenabsteller, Rollschweller und Pianopedal.

Als am 8. Dezember 1944 eine schwere Granate die Kirche traf und große Teile des Dachstuhls und der Gewölbe einstürzten, blieb die Orgel heil. In der Festschrift zum 75jährigen Jubiläum der Pfarrkirche St. Helena 1951 heißt es, die Orgel sei „völlig unversehrt erhalten geblieben“.

Dennoch waren ihre Tage gezählt. Ähnlich wie im Dom, wo die pneumatische Doppelorgel von Weigle nur leicht durch den Krieg beschädigt war und dennoch in den sechziger Jahren abgerissen wurde, musste auch die Eurener Breidenfeld-Gerhardt-Orgel einem neobarocken Neubau weichen. Die sogenannte „Orgelbewegung“ hatte, vom Elsaß ausgehend, nach und nach ganz Deutschland erfasst: Pneumatik galt als störanfällig und generell als Irrweg im Orgelbau; die zugehörige spätromantische Musik tat man weithin als dunkel-konturenlos oder kitschig ab. Das neue Ideal der sechziger und siebziger Jahre war das Barockzeitalter mit seinen hellen Registern wie Zimbeln, 1 1/3‘- und 1‘-Registern. Das Eurener Rückpositiv der 1966 gebauten Späth-Orgel ist geradezu ein Musterbeispiel für die in Mode gekommenen „spitzigen“ Neobarock-Dispositionen: Gedackt 8‘, Gemshorn 4‘, Principal 2‘, Terz 1 3/5‘, Sifflöte 1 1/3‘ und Cymbel dreifach ½‘, dazu als Zunge Schalmey 8‘.

Aber der Reihe nach: Am 23.3.65 erteilte man den Auftrag zum Orgelneubau an die schwäbische Firma Späth aus Mengen-Ennetach an der Donau, die im Bistum Trier durch gute Orgelbauten, etwa in Haustadt (1924), Völklingen-Lauterbach (1931), Weiskirchen (1951) oder Saarbrücken St. Michael (1958) schon vertreten war.  Die Zeit der Pneumatik (ab etwa 1895) und der Elektropneumatik (etwa ab den dreißiger Jahren) war vorüber, nun sollten wieder mechanische Trakturen gebaut werden wie einst in der Barockzeit. Der technische Wandel von der Elektropneumatik zur mechanischen Schleiflade hatte sich hierzulande erst wenige Jahre zuvor vollzogen: Die Orgel der Liebfrauenkirche (1951) war noch elektropneumatisch, ebenso die große Sebald-Orgel in Herz Jesu (1957). Im gleichen Jahr, 1957, geschahen der große Umbau und die Vergrößerung der Welschnonnen-Orgel bereits mechanisch mit Schleifladen. Es folgten die mechanischen Neubauten Wittlich St. Markus 1958, Trier Konstantin-Basilika 1962, Himmerod 1962 und Trier St. Irminen 1964.

Euren war orgeltechnisch also ganz vorne mit dabei, als 1966 das Instrument geweiht wurde, eingespielt von Domorganist Wolfgang Oehms. Die Orgel hatte nun 30 Register und war damit deutlich größer als ihre Vorgängerinstrumente. Viele Jahre lang galt sie nun als beste katholische Trierer Orgel, ebenbürtig dem gleich großen Instrument in der Konstantin-Basilika. Wolfgang Oehms, der auch Rundfunkaufnahmen für den Südwestfunk in Euren spielte,  rühmt die neue Orgel: „Nach den Prinzipien des klassischen Werkaufbaues angelegt, vermittelt die Prospektgestaltung ein genaues Bild auch von der inneren Struktur. Hauptwerk und darunter liegendes Schwellwerk bilden den Mittelpunkt. Hinzu kommt als drittes Werk ein Rückpositiv, das in der Brüstung steht. Der aufwärtsstrebende Prospektverlauf der Manualwerke wird durch die links und rechts sich anschließenden Pedaltürme sinnvoll weitergeführt. Die 30-Register-Disposition bietet eine überraschende Vielfalt an Registriermöglichkeiten. Ein breit angelegter Prinzipalchor gibt die von dem großen Kirchenraum geforderte Klangintensität. Außerdem bereichern sehr lebendig intonierte Farbregister das Klangbild. Von den hinzutretenden fünf Zungenstimmen verdienen besonders erwähnt zu werden Rankett 16′ und Dulzian 8′. Beide Register stehen im Schwellwerk und sind für den solistischen Einsatz vorzüglich.“
Eine Blüte erlebte die Kirchenmusik ab 1976 durch Kantor Joachim Reidenbach, mit dem Euren eine lebendige und erfolgreiche Chorarbeit erlebte, der zudem viele Orgel- und Kammermusikkonzerte anbot und auch eine Schallplatte mit Orgelmusik an der Späth-Orgel aufnahm.

Die Restaurierung im Jahr 2013 umfasste eine Generalreinigung und eine Renovierung der Orgel. Denn unübersehbar war, dass in einigen Bereichen 1966 das technische Know-How für mechanische Schleifladenorgeln noch nicht ausreichend vorhanden war. So hatte es seit vielen Jahren Probleme mit der Registerschaltung gegeben; die Windversorgung war nicht stabil genug und diverse Teile aus Schaumstoff hatten sich nicht bewährt. Auch die Schwachstromelektrik und die Zugänglichkeit für Stimmarbeiten genügten nicht mehr heutigen Sicherheitsvorschriften. Die von Anfang an vermisste Koppel III-II wurde nun eingebaut. Zusätzlich erhielt die Orgel eine elektronische Setzeranlage zum Abspeichern und schnellen Abrufen von Klangkombinationen. Klanglich gewann die Orgel durch eine umfassende Neu-Intonation: Obwohl alle Register von 1966 erhalten blieben, wurde der Klang runder und mischfähiger. Die 1966 gelegentlich ins giftige spielende Schärfe der Orgel wurde abgemildert und die Orgel klingt deutlich gravitätischer, aber auch charmanter als zuvor.    

                        Josef Still, Domorganist und Orgelsachverständiger

Quellen:

  • Bösken-Fischer-Thömmes: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins Band 4/2. Schott, Mainz 2005
  • Christine Rohles: Das Orgelbauergeschlecht Breidenfeld, 1995
  • Wolfgang Valerius in http://www.trierer-orgelpunkt.de/trierorgel5.htm
  • Archivalien der Orgelsachverständigen im Generalvikariat Trier

Gedicht „Renovierte Orgel in St. Helena/Euren

                                   (Baujahr 1966, Renovierungsende 2013)

                        für  Pia Lutz und den Orgelförderkreis

Wenn das Tongewebe
aus Prinzipalbass, Subbass und Rauschbass
sich durch den Boden flicht,
schwingen auch die Mosaikböden
des Palasts der jüngeren Helena mit,
während Waldflöte und Dulzian
die Madonna im schönen Stil
zart umspielen
und Rohrflöte und Gemshorn,
ungesehen von der Gemeinde,
oben von Kapitell zu Kapitell springen.
In der Osternacht aber,
wenn die Glocken nach Rom geflogen sind,
die Stunden nur im Klappern gemessen werden
und im Dunkeln selbst das Nachthorn
stumm geworden ist,
flammt plötzlich das Licht auf,
und die Orgel jubelt
mit Trompete! und Posaune!,
Zimbel! und Schalmay!
über Choralbass! und Oktavbass!
von der Kreuzigung des Hauptaltars
über die schmerzhafte Gottesmutter
mit dem toten Sohn im Schoß
zum segnenden Eurener Herrgott
hoch über allen:
CHRIST IST ERSTANDEN
VON DER MARTER ALLE!

                                               Hans-Joachim Kann